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Schule im Lock-Down – Lernplattformen als Klassenraumersatz?

Wer hätte gedacht, dass einmal alle Schulen, Kindergärten und große Teile unserer Wirtschaft von heute auf morgen schließen und wir alle auf Abstand gehen müssen? Vermutlich wird dies kaum einer für möglich gehalten haben, ich zumindest nicht. Die Krise trifft uns alle und einige Bereiche besonders schwer. Aktuell tritt dies im Bereich der Bildung besonders deutlich hervor und zeigt, dass ein dezentraler und digitaler Schulbetrieb häufig nur begrenzt oder kaum möglich ist, wobei es auch Ausnahmen gibt!

Häufig wird an dieser Stelle der Einsatz von Lernplattformen bzw. Lern-Management-Systemen (LMS) als Ausweg genannt, da die existierenden Systeme auf dem Markt unter anderem damit werben, den Schulbetrieb auf digitale Weise maßgeblich zu unterstützen. Fraglich ist aber, welche Anforderungen und Funktionen hierfür notwendig sind, sodass der Einsatz eines LMS den Unterricht fördert und die pädagogischen Bedarfe möglichst passgenau unterstützt.

Lernplattformen gibt es seit vielen Jahren, zwei Beispiele dafür sind die frei verfügbaren Systeme CommSy und Moodle die bereits seit 1999 und 2001 existieren. Über die Jahre hat sich das Angebot allerdings stark erweitert, sodass neben den genannten, auch Alternativen wie z. B. Stud.IP, WebWeaver, itslearning, iServ und vieles mehr, existieren. Während frühe Systeme sich auf das Arbeiten in bzw. mit Kursen fokussierten, wurden die Systeme über die Jahre hinweg geöffnet, erweitert und sind heutzutage meist mächtige Cloud-Anwendungen. Neben Möglichkeiten des Datenaustausches bieten diese auch Funktionen wie Wikis, Foren, Chats, Kalender, Termin-, Gruppen-, Ressourcenverwaltung und vieles mehr, an. Einzelne Systeme beinhaltet zudem auch Möglichkeiten der Softwareverteilung und können so auch die Arbeit des Supports vereinfachen, dazu in folgt in einem späteren Blogeintrag mehr.

In den letzten Jahren ist außerdem ein Trend zur Interaktivität und zur Einbindung externer Tools und Inhalte zu erkennen, sodass Umfragen, Videokonferenzen, Dashboards und per Schnittstelle weitere Systeme anderer Hersteller eingebunden werden können. Unterrichtsszenarien können daher wie folgt ablaufen und das asynchrone Lernen, insbesondere in der Oberstufe, stärken.

 – ein innovatives Szenario –


Bleiben wir bei der aktuellen Corona-Situation und stellen Sie sich die Schülerin und/oder den Schüler zu Hause vor ihrem Endgerät vor. Über die Lernplattform wurde für, in diesem Fall, den Deutschunterricht ein Dokument (z. B. ein Ausschnitt aus einem Buch) am Montag bereitgestellt, welches die Schülerinnen und Schüler bis Mittwoch lesen sollen. Am Mittwoch findet dann via LMS eine Videokonferenz statt, in der die Beteiligten Fragen stellen können und die Lehrkraft individuell und nach Bedarf auf Inhalte im Detail eingehen kann. Anschließend müssen alle Schülerinnen und Schüler an einer über das LMS angebotenen Umfrage teilnehmen. Diese wurde vorab erstellt, wird von der Lehrkraft freigegeben und beinhaltet zweit verschiedene Typen von Fragen. Erstens, Fragen, die auf den Inhalt des Dokuments abzielen und zweitens, Fragen zum Bearbeitungsablauf (z. B. über Probleme oder Unklarheiten). Die Umfrage wird anschließend ausgewertet und bei geschlossenen Fragen kann dies ggf. auch automatisiert über das LMS erfolgen.

Anschließend verteilt die Lehrkraft die nächste Aufgabe, die bis Freitag bearbeitet werden soll. Hierbei erhalten die Lernenden in Abhängigkeit der Ergebnisse aus der Umfrage unterschiedliche Hausaufgaben, sodass leistungsstarke als auch -schwache Schülerinnen und Schüler nach Bedarf gefördert werden (vgl. Binnendifferenzierung). Die Verteilung der Aufgaben kann dabei per Mail oder Chat erfolgen. Bis Freitag müssen die Schülerinnen und Schüler dann die Ergebnisse der zweiten Aufgabe im LMS in einen dafür eingerichteten Ordner hochladen, sodass die Lehrkraft die Abgaben anschließend bewerten kann. Zusätzlich haben alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, sich während der Bearbeitungsphase bei Fragen via Chat o. Ä. an die Lehrkraft zu wenden.


Das beschriebene Szenario macht den Mehrwert von Lernplattformen deutlich und ermöglicht, in diesem Fall, den digitalen Unterricht. So einfach wie sich dieses Szenario allerdings liest, ist es in der Realität meist aber nicht. Nur wenige Systeme bieten den benötigten Funktionsumfang an, sodass bei der Auswahl vorab die genauen Bedarfe detailliert aufzunehmen sind, um spätere Überraschungen zu vermeiden. Auch ist vorab zu klären, ob die Schule bzw. die Lehrkräfte überhaupt ein solches oder vergleichbares Szenario anstreben, da die Ausstattung dem Primat der Pädagogik folgen soll! Auch benötigen Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler pädagogisch geeignete Endgeräte und eine gute Internetanbindung. Darüber hinaus ist die Vor- und Nachbereitungszeit seitens der Lehrkräfte nicht zu unterschätzen. Ähnlich verhält es sich auch bei der Einarbeitungszeit in ein neues System, weshalb diese Bereiche gezielt durch Fortbildungen zu adressieren und zu unterstützen sind. Hinzu kommen rechtliche Fragen, die zum einen den sicheren Betrieb als auch den Dokumentenaustausch betreffen. So dürfen z. B. nur Dokumente genutzt und geteilt werden, für die notwendige Lizenzen vorliegen, da ansonsten urheberrechtliche Verstöße drohen. Auch ist ungeklärt zu welchem Grad Lehrkräfte über das LMS erreichbar sein sollen und ob die Einbeziehung von Eltern, insbesondere in der Primarstufe, sinnvoll ist.

Lernplattformen haben das Potenzial, den Unterricht nachhaltig zu stützen und mittel- und langfristig zu erweitern. Kurzfristig kann so ggf. auch auf Präsenslehre verzichtet werden, wobei kein System der Welt den zwischenmenschlichen Austausch dauerhaft ersetzen kann und Schule, neben den unterrichtsrelevanten Inhalten auch ein breites Spektrum an sozialen Fähigkeiten und Kompetenzen vermittelt. Für diese wird der vor Ort Unterricht, als auch die Zeit auf dem Pausenhof, auch weiterhin gefragt sein.

Der aktuelle LMS-Hype ist hierdurch zumindest verständlich, da sich durch COVID-19 die Bedarfe schlagartig verändert haben. Letztendlich wird dadurch aber nur deutlich, dass die vergangenen Bemühungen Schulen zu digitalisieren nicht ausreichten und diese Defizite nun im Eiltempo behoben werden müssen.

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